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Dream ~ Chapter 15

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:bulletyellow: Der Tag, an dem alle Träume wahr wurden :bulletyellow:
~ Kapitel 15 ~

Nachdenklich saß Kain auf dem Lattenzaun der großen Weide und betrachtete wie so oft die Pferde. Er schaukelte aufgewühlt mit den Beinen, während ihm unzählige Gedanken durch den Kopf schossen. Seit dem Unfall, so lang er auch her war, fühlte er sich so unfrei, belastet von einer unsichtbaren Last, die ihn tief niederdrückte und die er einfach nicht loswerden konnte. Es war zum Verzweifeln. Nicht einmal Nana, die für ihn wie ein strahlendes Licht in der Dunkelheit war, hatte es geschafft, ihn von dieser Last zu befreien.
Und doch musste er zugeben, dass ihn die Worte bei der Bibelstunde mehr berührt hatten, als er hatte zulassen wollen. Diese Zuversicht, dass alle Geschehnisse, ob gut oder scheinbar schlecht, in Gottes Hand lagen - das hatte einen wunden Punkt in ihm getroffen. So viele, nicht nur seine Freunde, hatten ihm versichert, dass er sich nicht schuldig zu fühlen brauche. Wie konnten sie denn wissen, wie unmöglich ihm das war? Das Verlangen, dieses verlockende Angebot anzunehmen, wuchs größer und größer in ihm.
„Kain?“, erklang auf einmal eine sanfte, wohlbekannte Stimme hinter ihm. Überrascht wandte er den Kopf. „Nana.“, sagte er leise und konnte es nicht verhindern, dass sich eines dieser seltenen Lächeln auf seinem Gesicht breit machte. Etwas plump sprang er vom Zaun.
„Was beschäftigt dich nur wieder?“, seufzte das blonde Mädchen traurig lächelnd, dann schlang sie ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich.
„Mir kommt es so vor, als wärst du seit Wochen nur noch stiller und zurückgezogener geworden…“, murmelte sie in seinen Pullover, dann schaute sie auf. „Ich bin mit meinem Latein am Ende.“
Kains Gesichtsausdruck verfestigte sich. Mit vorsichtigen, ungeschickten Händen strich er ihr eine gelockte Haarsträhne aus der Stirn, dann gab er ihr einen sanften Kuss.
„Lass es doch einfach darauf beruhen. Wenn ich mir nicht selbst helfen kann, dann kann es niemand.“
Wirklich? schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Wirklich?
Mit einer ruckartigen Bewegung löste sich Nana von ihm. „Und was, wenn ich dir trotzdem helfen will?“ Sie sah ihm in die Augen und fügte etwas leiser hinzu: „Du sollst wieder so werden wie früher… Ich kanns einfach nicht mitansehen, wie du dir Vorwürfe machst.“
Kain beugte sich vor, wollte sie wieder an sich ziehen, wollte ihre Nähe spüren und alles vergessen, was ihn beschäftigte… doch sie packte nur seinen Ärmel und lachte.
„Komm, ich zeig dir was. Ich habs neulich entdeckt, vielleicht gefällt es dir.“
Etwas schwerfällig stolperte Kain ein paar Schritte hinter ihr her. Auf seinen fragenden Gesichtsausdruck lachte sie nur. „Mein Lieblingsplatz.“
„Mit den Pferden?“, fragte er und versuchte, mit ihr Schritt zu halten.
„Ach, warum nicht mal zur Abwechslung zu Fuß? So weit ist es nicht.“
Gemeinsam gingen sie ein Stück am Ufer der Donau entlang und ließen den Hof hinter sich. Zu dieser Jahreszeit war der Fluss am schönsten, hier und da blitzte auch die Sonne durch die dichte Wolkendecke und warf glitzernde Taler auf die Wiesen unter den Bäumen, die sich schon langsam verfärbten. Weit entfernt zwitscherte ein Vogel, eine Amsel vielleicht, dort raschelte es im Gebüsch, da hämmerte ein Specht - Kain wurde niemals müde, sich an den Geräuschen der Natur zu freuen.

Nach einem kurzen Stück Weg schlug sich Nana in die Büsche und folgte einem ausgetretenen Pfad, der direkt in den Wald führte. An beiden Seiten des Weges lagen umgestürzte Bäume, teils mit Moos bedeckt, teils dienten sie schon als Heim für verschiedenste Pilzarten. Doch dazwischen sammelten sich die großen kräftigen Nadelbäume, wie sie in einem ewig andauernden Wettstreit die Hälse nach der Sonne reckten.
Kain beeilte sich, hinter Nana zu bleiben, um sich nicht in dem gedämpften Farbenspiel aus Blättern und Zweigen zu verlieren - er behielt jeden ihrer Schritte im Auge. Er beobachtete ihren wippenden goldblonden Pferdeschwanz, der in Locken auf ihren Rücken fiel, ihre schmale Taille, ihren zielsicheren Schritt… Nach einiger Zeit wandte sie den Kopf zu ihm, wie um zu sehen, ob er noch da war, dann sagte sie „Hier ist es.“ Sie bog nach rechts ab, durch einen kleinen Busch, umkreiste einen großen Felsen und trat dann auf eine kleine Lichtung am Berghang.
Kain konnte sich das Staunen nicht verkneifen. Dieses kleine Stück Wiese war von allen Seiten von Fels, wurzeldurchzogenen Abhängen oder großen Büschen eingesäumt, ein kleiner Quellfluss sprudelte fröhlich in seinem Bett, hier und da ragte ein Baum in den Himmel. Ein wenig Licht fiel durch das Loch in den dichten Baumkronen. Kurzum: Es war ein magischer, wunderschöner Platz.
Nana sah das Funkeln in seinen Augen und lachte. Vielleicht war das ja ein Schritt, ihn zurückzuholen…? Zurück aus dem Loch voller Selbstvorwürfe, das er sich eigens gegraben hatte. Kain wollte allen weismachen, dass dieses Loch unendlich tief war - doch Nana war fest entschlossen, ihm eine helfende Hand entgegenzustrecken. Sie wollte nicht scheitern, auf eine gewisse Art und Weise war sie sich sicher, dass sie es schaffen würde, ihm wieder Sicherheit zu geben…
Seite an Seite saßen sie im knöchelhohen Gras, lauschten dem leisen Plätschern des sprudelnden Bergbachs und dem Zwitschern der Vögel und fragten sich, wie lange dieser zerbrechliche Moment der Idylle wohl noch anhalten mochte.
„Du…“, begann Nana dann vorsichtig nach einer langen Zeit des Grübelns und Schweigens. „Willst du mir wirklich nicht sagen, was dich bedrückt? Du weißt, ich bin da…“ Bittend sah sie ihn an, doch als er keine Reaktion zeigte, sackten ihre Schultern herab und sie biss sich auf die Unterlippe.
„Ja, das bist du… In der Tat.“ Ungelenk lehnte Kain sich zu ihr und versenkte sein Gesicht in ihren goldenen Locken. Der Duft ihrer Haare, ihr Duft betörte ihn und er musste für einen Moment die Augen schließen. „Ich wills vergessen“, murmelte er dann nur halblaut, bevor er sich wieder aufrichtete.
Nana seufzte nur, doch dann lächelte sie. Sanft nahm sie sein Gesicht in beide Hände und gab ihm einen langen, tröstenden Kuss, der ihre beiden Herzen flattern ließ und sie für eine Weile sogar vergessen ließ, dass sie in kaltem, nassem Gras saßen. Als sie sich wieder aufrichten wollte, hielt Kain sie zurück, schlang seine Arme fest um das zierliche Mädchen und drückte sie an sich, als wäre sie das einzige, was ihn noch auf der Welt hielt. Langsam schaltete sich sein Verstand aus… Jeder Zentimeter ihres Körpers betörte ihn und er wusste, wo dies enden würde, wenn er nicht aufpasste. Doch das war ihm egal.
Nana spürte sein Fordern, und doch konnte und wollte sie sich ihm nicht entwinden. Ihr Herzschlag übertönte jegliche Belehrungen ihres Gewissens. „Kain…“, flüsterte sie und ließ sich ins Gras sinken.
Er zog sie ein weiteres Mal an sich, küsste ihre Nase, ihre Stirn, ihren Hals und verlor sich langsam. Doch egal… er wollte ihr nah sein, der einzigen Person, die ihn verstand…
Plötzlich schrie ihn sein Gewissen an - erschrocken fuhr er zurück.
„Die einzige Person? Das ich nicht lache! Und was ist mit Gott? Jetzt hör endlich auf, dich selbst zu bemitleiden und vertraue einfach den Worten der anderen!“
„Was ist?“, fragte Nana sichtlich verwirrt, ihre blauen Augen suchten den Kontakt zu seinen.
„Ich weiß es nicht…“ Ziellos schweifte sein Blick durch die Lichtung. Er konnte ihn geradezu hören, seinen Bruder, den kleinen Missionar. „Gott versteht immer, was in dir vorgeht, das ist doch mal was, oder?“ Vielleicht war jetzt die Zeit… die Zeit, wenn niemand anderes mehr helfen konnte, endlich seinen Stolz aufzugeben und sich auf Gott zu verlassen…?
Widerstrebend brachte er einen größeren Abstand zwischen sich und seine Freundin und wuchtete sich ungelenk hoch. Sein Blick suchte die Richtung, in der es zum Hof ging.
„Was machst du?“, begann Nana noch einmal und richtete sich auf. „Kain… was ist?“
Sein Gesichtsausdruck wurde forcierter. „Ich habe etwas zu klären.“, sagte er laut. „mit meinem Bruder und mit Gott.“ Jetzt sah er ihr in die Augen und ein kleines Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Danke“, sagte er und drehte sich um.
Eiligen Schrittes ging er zurück auf den Waldweg. Obwohl er über Wurzeln stolperte, in Pfützen trat und Steine in die Böschung stieß, wurden seine Schritte länger, sein Schritt eiliger, bis er rannte. Äste und Zweige schlugen ihm ins Gesicht und hinterließen rote Striemen auf seinen Wangen, doch er spürte es kaum. Er rannte weiter, zurück ans Ufer der Donau und weiter in die Richtung der heimeligen Backsteingebäude des Gestüts. Sein Puls hämmerte und jeder Atemzug brannte wie Feuer in den Lungen, als er schließlich das Stalltor aufschwang und mit dem Blick nach Will suchte - seinem Bruder, dem er endlich alles erklären wollte. Den er um Vergebung bitten wollte. Und vielleicht auch um Hilfe.
„Ich werde die richtigen Worte brauchen…“, dachte er nervös vor sich hin, als er in jede Box kurz blickte. „Hoffentlich finde ich sie auch und kann endlich alles das freilassen, was immer noch in mir eingesperrt ist… Im Denken bin ich ein großer Meister, doch nichts davon findet auch einen Weg nach draußen…“
Es dauerte nicht lange, bis er Will tatsächlich fand - er saß auf einem Stuhl in einer Ecke von Windmills Box. Natürlich. Die Stute hatte den Kopf gesenkt und fraß genüsslich ihr Heu, während ihr Besucher leise mit ihr sprach. Sie schien, als wäre sie nur auf ihr Futter konzentriert, doch Kain konnte sehen, wie ihr rechtes Ohr immer wieder aufmerksam in Wills Richtung zuckte. Ruhig blieb der Junge auf der Stallgasse stehen und überlegte, wie er es am besten anstellen sollte, seinem Bruder unter die Augen zu treten.
„Herr. Wenn du mir wirklich helfen willst und kannst, dann tu es jetzt.“, betete er still vor sich hin. Er hielt es nicht länger aus, untätig herumzustehen, also räusperte er sich und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein.
Das Geräusch ließ Will zusammenzucken - überrascht fuhr er herum. Als er seinen Bruder in der Tür stehen sah, erschien ein offenes Lächeln auf seinem Gesicht und er sagte leise: „Hallo. Was führt dich denn her?“
„Ihr hattet Recht“, sagte Kain bloß und kniff die Lippen zusammen. „Mit allem. Ich bin ein furchtbarer Idiot.“ Eisern und aufrichtig starrte er seinen Bruder an.
„Von was sprichst du…?“, fragte Will vorsichtig.
„Ich hab mir die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen gemacht, weil es mir so leid tat, was passiert ist… Die ganzen Worte in der Bibelstunde… Gott hat einen Plan, Gott benutzt jeden Einzelnen, Gott hat für jeden nur das Beste im Sinn, Gott will nicht, dass ein Mensch leidet…“ Kains Unterlippe begann zu zittern. „Ihr hattet immer alle Recht und ich war zu stolz, um das auch nur ansatzweise zu begreifen. Will, hör zu - es tut mir furchtbar leid. Alles, was passiert ist. Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen.“
Will hatte angefangen, einen Strohhalm zu zerrupfen, den er jetzt fallen ließ. „Kain…“, sagte er. „Du bist an dem Ganzen genau so wenig Schuld wie ich oder Jet. Und hättest du mir genau das, was du eben gesagt hast, auch nur einen Tag nach dem Unfall gesagt, ich hätte dir dieselbe Antwort gegeben! Nur tu mir einen einzigen Gefallen… und hör auf, dir Vorwürfe zu machen.“
Eine Welle der Erleichterung durchflutete Kain und er fühlte sich, als hätte er seine ganze Last nun über eine Klippe ins Meer geworfen. Zum ersten Mal seit langem war er frei und zufrieden, lag es nun daran, dass er diese Worte der Vergebung nun von seinem Bruder persönlich gehört hatte oder dass er sich endlich die Seele freisprechen hatte können…
„Ich will meine Sache mit Gott wiedergutmachen. Will, denkst du, er lässt mich endlich verstehen? Vergibt er mir das alles? Mein Leben?“

Plötzlich verstand Will. Wenn es das war, ein Teil des Planes, den Gott mit ihm hatte, wenn das der Sinn war, andere verstehen zu lassen…
„Weißt du…“, begann er leise, „warum ich hier sitze? Warum das alles passiert ist?“ Will zerriss einen weiteren Strohhalm. „Um dich zurückzuholen…“ Sein Blick suchte wieder den seines Zwillingsbruders. „Und weißt du noch was?“ Seine Stimme brach. „Für meinen Bruder würde ich mich hundert Mal von einem Pferd treten lassen!“ Er vergrub sein Gesicht in den Händen und ließ den Tränen freien Lauf.

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That would be the end of Kain's part of the story ^^
2 more chapters to go!


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W-R-E-C's avatar
You have gorgeous traditional skills! I hope someday to draw with color pencils the backgrounds and scenes that you can! I remember you from Outlaw Trail and I greatly admired your entries. :)